Ob das hier „Kunst“ ist oder nicht … wen interessiert’s. Anfang der 1990er Jahre hatte ich Lust zu malen, habe mir eine ganze Palette mit farbiger Pastellkreide zugelegt und was zu Papier gebracht. Deswegen beschreibe ich das Ganze auch als „Pixelabenteuer“ und was mir dabei alles begegnete, war interessant.
Denn auch wenn man vollkommen ziellos nur spontan drauflos malt, trifft man doch jede Menge Entscheidungen über die Farben, die Formen, die Proportionen und Dynamik der Motive zueinander und bekommt – ganz unbemerkt so nebenbei – eine Rückkopplung über die eigenen inneren Zustände.
Gerade „abstraktes Malen“ hat mit Sicherheit eine psychologische Dimension. Es passieren viele Dinge, mit denen man überhaupt nicht rechnet und das kann tatsächlich ungeheuer spannend sein, weshalb ich die Beschreibung dieses kreativen Prozesses mit dem Wort „Pixelabenteuer“ sehr passend finde.
„Vier Augen“ … sehen mehr als Zwei!
„Vier Augen“ (1. Januar 1993)
Das mit Pastellkreide gemalte Bild, welches ich am 1. Januar 1993 zu Papier gebracht habe, hat eine Originalgröße von 59,4 x 42 cm und trägt den Titel „Vier Augen“, von denen zwei geschlossen sind und den Blick entspannt nach innen wenden.
Die anderen beiden glotzen wie irre schielend herum und erblicken wohl nichts Erquickliches, während drei „Münder“ gewissermaßen eine optische Metapher darstellen und so ihren Kommentar abgeben, dass man doch „Drei Meinungen“ – oder sogar mehr – zu diesem oder jenem Thema haben könnte.
Eine Gesichthälfte ist „Rot“ gemalt, die andere „Blau“, was den inneren Konflikt zwischen Gefühl und Verstand thematisiert. So erklärt sich auch die Anzahl der Augen, denn die geschlossenen stehen für das Gefühl und die offenen mit dem irren Blick symbolisieren den vom Gefühl verwirrten Verstand. Das kann auch ganz anders sein. Wenn Intuition und Intellekt im Gleichgewicht sind, sich ergänzen anstatt zu konkurrieren, sehen „Vier Augen“ tatsächlich mehr als zwei. Noch mehr (?) dazu steht im Artikel: „Vier Augen … sehen mehr als Zwei!“
„MANFRiED“ (6. Januar 1991)
Buntstift-Zeichnung: „MANFRiED“ (6. Januar 1991)
Wie sich leicht an bestimmten Figuren ausmachen läßt, ist meine Buntstift-Zeichnung, die eine Illustration meines Vornamens „Manfred“ (plus i vorm e) darstellt, stark von „Wassily Kandinsky“ beeinflußt, dessen abstrakte Bilder und vor allem seine etwas besondere Denkweise über Kunst mich immer sehr angesprochen haben.
Er war ein Künstler des Expressionismus und vor allem abstrakter Kunst. Für ihn hatten Farben tiefere Bedeutungen und er versuchte seine Bilder so zu malen, wie Musik komponiert wird. Zwischen Kunst und Musik gibt es durchaus Ähnlichkeiten und „Kandinsky“ verglich die Harmonie von Farben mit der Harmonie von Klängen.
Mehr dazu im Artikel: „Mighty Manfr(i)ed“ (21. Dezember 2014)
Serie: „Harmoniemand“ (Größe der Originale: 59,4 x 42 cm)
Bei den ersten drei Bildern – „Xpldrndwltn“, „Träumende Formen“ und „Vom Segeln“ – sind Anteile mit Buntstift enthalten, was unschwer zu erkennen sein dürfte. Die schwarzen und teilweise sehr dünnen Linien der ersten drei Bilder, wie auch beim vierten „Zeitgeisttrauma“, sind mit Filzstift gemalt. Lediglich bei den letzten beiden – „No Doubt“ und „Harmoniemand“ – habe ich ausschließlich mit Pastellkreide gemalt.
„Zeitgeisttrauma“ (8. Dezember 1991)
„No Doubt“ (20. Dezember 1992)
„Harmoniemand“ (24. Dezember 1992)
Das Schöne an solchen abstrakten Gebilden ist ja, dass jede(r) darin etwas anderes entdecken wird und sehen kann. Manche Konstruktionen wirken chaotisch, andere sind harmonischer, geometrische Figuren lassen sich erkennen. Ob es nun tatsächlich „Xpldrndwltn“ (= Explodierende Welten) oder was ganz anderes sind … lohnt den Streit darüber nicht und irgendwelche geometrischen Formen, die angeblich träumen – wovon denn bloß?
Auswahl von sechs „Farb(t)räumen“ auf einer Fläche von jeweils 59,4 x 42 cm, die sich als „Pixelabenteuer“ ausgeben.
Bastelarbeiten mit „Papierschnipseln“
Bei den folgenden Bastelarbeiten habe ich aus farbigem Papier ganz spontan und ohne irgendwelche großen Überlegungen Schnipsel in unterschiedlichen Größen und Formen mit einer Schere ausgeschnitten. Aus diesen chaotischen Puzzles entstand etwas sehr Konkretes.
Die einzige Festlegung, die ich vorher getroffen hatte, betraf die Anzahl der Schnipsel von jeder Farbe. Die Papierfarben waren rot, gelb, lila und dazu ein stabiler Karton in schwarz, der manchmal auch als Rahmen eingesetzt ist. Die weißen Flächen sind normales DIN A4-Papier.
„PAPAGEI“ (21. November 1988)
„PORTRAIT“ (20. November 1988)
„ADLER“ (20. November 1988)
„VOGEL“ (20. November 1988)
„Engel“ (24. November 1988)
Das Original hat eine Größe von 24 x 30 cm und besteht aus Papierschnipseln, die auf schwarzen Karton geklebt sind. Fünf weiße Schnipsel bilden einen kantigen Kopf, in dem sich „eine Art Engel“ befindet, der aus fünf lila, vier schwarzen, drei roten und zwei gelben Papierschnipseln zusammengesetzt ist.
Wie gut zu erkennen ist, hat der Engel statt der zu erwartenden Füße den Kopf einer Schlange. Es ist also eine Doppelgestalt, die aus zwei eindeutigen Symbolen für „das Gute“ (Engel) und „das Böse“ (Schlange) besteht und in diesem Kopf ihr Unwesen treibt, was durchaus heftige Kopfschmerzen bereiten kann.
„Engel“ (24. November 1988)
Die Aufteilung von Gut und Böse – verkörpert durch die gegensätzlichen Symbole Engel und Schlange – als zwei voneinander unabhängige, abgegrenzte „Entitäten“ wird hier zu einer Figur verschmolzen und zeigt sich so als das dem Kopf innewohnende Potential.
Obwohl die Schnipsel völlig planlos zurecht geschnitten sind, entstand ein bedeutsames Bild. Erst danach habe ich das weiße Stück Papier in fünf Teile zerschnitten, woraufhin sich der Kopf manifestierte. Diese visuelle Botschaft kann die Wahrnehmung verändern, da sie ja die Überwindung einer dualistisch geprägten Denkweise darstellt.
Es handelt sich bei „Engel und Schlange“ um christliche Symbole, welche hier als eine Figur auftreten, die man auch als „Schlängel“ (von Schlange und Engel) bezeichnen könnte, womit sie sich dem Streiche spielenden „Schlingel“ annähert – jedenfalls, was die Buchstaben angeht. Ein passender Vergleich wäre vielleicht auch jemand, der sich vermeintlich rücksichtsvoll verhält, aber überall „durchschlängelt“ und bei genauerer Betrachtung eigentlich nur an sich denkt.
Schlußendlich sind „Gut und Böse“ in einer Situation ja (mindestens) zwei der Möglichkeiten, zwischen denen gewählt werden kann und tatsächlich liegt es wohl an jedem höchstpersönlich, sich entweder für das „Gute oder Böse“ zu entscheiden. So manche Entscheidung kann ja wirklich mehr oder weniger heftige Kopfschmerzen bereiten. Am Ende sind es doch immer „wir selbst“, die sich durch das eigene Verhalten als „Schlingel“, „Schlängel“ oder „Engel“ offenbaren werden.
Die Aufteilung in „Das Gute“ und „Das Böse“ ist eine dualistische Sicht der Dinge, bei der eine Grenze zwischen zwei voneinander als unabhängig eingestufte Bereiche definiert wird. Die Überwindung dieser (rein illusorischen) Trennung bedeutet im Prinzip nichts anderes als die Gesamtmenge oder die „Ganzheit mit ihrem Potenzial“ zu sehen, was sich – mit entsprechenden Konsequenzen – unterschiedlich ausdrücken kann.
Jede Handlung hat eine Wirkung und kann die Ursache für zukünftiges Leid oder Glück sein.
„S ICH T“ (23. Juli 1993)
„S ICH T“ (23. Juli 1993)
Im Sommer 1993 habe ich weder mit Tönen noch „mit Text gebastelt“, was ich häufiger tue, dafür aber mit einer Schere und buntem bzw. einfarbigem Papier, aus dem ich spontan jeweils eine bestimmte Anzahl unterschiedlicher Schnipsel ausgeschnitten habe. Bei dieser Bastelaktion wollte ich etwas mit sieben Papierschnipseln machen, hatte aber überhaupt keine konkrete Idee, was daraus vielleicht werden könnte.
Zu meiner „Überraschung“ entstand dabei das hier zu sehende Bild. Als ich die Schnipsel ausgeschnitten hatte und sie vor mir lagen, habe ich sie immer wieder hin und her geschoben, um daraus etwas zu formen. Zunächst ergab sich nichts Brauchbares, aber nach einer Weile kristallisierte sich schließlich dieses „Gesicht“ heraus, bei dem das eine Auge offen in die Welt schaut, während das zweite geschlossene den Blick nach innen richtet. Das war ein spannender Prozeß und das Ergebnis ist fast ebenso so simpel wie tiefgründig.
Das Original besteht aus sieben (hellbraunen) Papierschnipseln, die auf weisses Papier geklebt sind, hat eine Größe von 18 x 24 cm und entstand beim Basteln am 23. Juli 1993. Mehr oder weniger zufällig, ohne Absicht, also unabsichtlich. Und da es ein Gesicht zeigt, habe ich es „S ICH T“ genannt. Seit 2007 verziert es den Titel meines „Marimba-Quartetts M8“ und ist als bearbeitete Version (in Grau) an verschiedenen Stellen auf meiner Homepage präsent.