Was sich mit einem Baukastensystem – wie z.B. dem Alphabet – so alles auf kunstvolle Weise zusammenstellen (= komponieren) läßt, ist manchmal doch ungeheuer spannend. Allein durch die Veränderung der Reihenfolge derselben Elemente (= Buchstaben) ergeben sich ganz neue Wörter mit einer völlig anderen Bedeutung. Irgendwie ist das alles natürlich vollkommen logisch, aber dennoch immer wieder verblüffend.
Fünf Buchstaben: Stich, Tisch, ischt … oder, hm … ja: Sicht!
Im Sommer 1993 habe ich weder mit Tönen noch „mit Text gebastelt“, was ich häufiger tue, dafür aber mit einer Schere und buntem bzw. einfarbigem Papier, aus dem ich spontan jeweils eine bestimmte Anzahl unterschiedlicher Schnipsel ausgeschnitten habe.
„S ICH T“ (23. Juli 1993)
Bei dieser Bastelaktion wollte ich etwas mit sieben Papierschnipseln machen, hatte aber überhaupt keine konkrete Idee, was daraus vielleicht werden könnte.
Zu meiner „Überraschung“ entstand dabei das hier zu sehende Bild. Als ich die Schnipsel ausgeschnitten hatte und sie vor mir lagen, habe ich sie immer wieder hin und her geschoben, um daraus etwas zu formen. Zunächst ergab sich nichts Brauchbares, aber nach einer Weile kristallisierte sich schließlich dieses „Gesicht“ heraus, bei dem das eine Auge offen in die Welt schaut, während das zweite geschlossene den Blick nach innen richtet. Das war ein spannender Prozeß und das Ergebnis ist fast ebenso so simpel wie tiefgründig.
Die beiden Blickrichtungen sind ja nun wirklich vorhanden, was vermutlich auch jede(r) so erleben dürfte: 1) den Blick in die „eigene Innenwelt“ und 2) den Blick in die vom Betrachter als „getrennt erlebte Aussenwelt“. Allerdings ergibt sich erst durch die Wahrnehmung dieser „beiden Welten“ zusammen ein vollständiges Bild. Das eine oder das andere Auge vor der jeweiligen Wirklichkeitsebene zu verschließen, ergibt eine unvollständige Sicht.
Da sich das Bild mit der Sichtweise und Betrachtung von Innen und Außen beschäftigt, drängt sich beinahe selbstverständlich die Frage auf, ob Innen- und Außenwelt wirklich absolut voneinander getrennt sind. Genaugenommen durchdringen sie sich ja permanent gegenseitig und eine wirkliche, klare Trennung läßt sich daher nicht feststellen. Man müsste sie also eigentlich eher als zwei Seiten ein- und derselben Medaille betrachten.
Das „Original“ besteht aus sieben (hellbraunen) Papierschnipseln, die auf weisses Papier geklebt sind, hat eine Größe von 18 x 24 cm und entstand beim Basteln am 23. Juli 1993. Mehr oder weniger zufällig, ohne Absicht, also unabsichtlich. Und da es ein Gesicht zeigt, habe ich es „S ICH T“ genannt. Seit 2007 verziert es den Titel meines „Marimba-Quartetts M8“, ist an verschiedenen Stellen auf meiner Homepage präsent und auch auf einer Version meiner Visitenkarte zu sehen.
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